Lyrik von Jetzt

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Nachbemerkung der Herausgeber

Daß die Lyrik lebt, bedarf keines Beweises. Es wird jeden Tag offenbar, sei es bei Lesungen oder dank einer der zahlreichen Publikationen, die vor allem vom Idealismus ihrer Herausgeber zehren. Zeit dagegen wurde es für eine Bestandsaufnahme dessen, was in der jüngeren und jüngsten Generation deutschsprachiger Poesie geschieht, für eine kompakte und annähernd umfassende Sichtung der dichterischen Werke, die als Drucke oft nur verstreut zu entdecken sind und in einigen Fällen ausschließlich durch mündlichen Vortrag übermittelt werden.
Die Kriterien bei der Auswahl waren so lose gefaßt wie möglich und so willkürlich wie nötig: Das Geburtsjahr der Autorinnen und Autoren sollte nicht vor 1965 liegen; sie selbst sollten, ob durch Veröffentlichungen oder Auftritte vor Publikum, dauerhaft in der neueren Lyriklandschaft präsent sein; und es sollten vier Gedichte gefunden werden, die als repräsentativ für den jeweiligen Stil und die jeweilige Ästhetik, in einigen Fällen auch für die Wandlungen im Rahmen des jeweiligen lyrischen Programms gelten können. So sind letztlich 74 Dichterinnen und Dichter und knapp 300 Gedichte zusammengekommen, die zeigen, wie vielfältig die gegenwärtige Lyrikszene ist und aus wie vielen Traditionen sie sich speist – eine Auswahl jenseits aller oft willkürlichen Ein- und Unterteilungen, so hoffen wir, jenseits eines Schubladendenkens, das dem unvoreingenommenen Leser ohnehin fremd sein dürfte.
Bleibt uns noch, all jenen herzlich zu danken, die mit ihrer Fachkenntnis und ihrem Engagement dazu beigetragen haben, daß dieses Buchprojekt realisiert werden konnte – vor allem Gerhard Falkner, der weitaus mehr hierfür tat als das Vorwort zu verfassen.

Björn Kuhligk und Jan Wagner, Nachwort, Februar 2003

Vorwort der Herausgeber

Als im Sommer 2003 die Anthologie Lyrik von JETZT erschien, in der wir die ganze Bandbreite der damals jüngsten Generation deutschsprachiger Dichterinnen und Dichter zu dokumentieren suchten, begannen wir die knappe Nachbemerkung zu unserer Sammlung mit der Feststellung, daß die Lebendigkeit der Lyrik keines Beweises bedürfe, daß sie im Gegenteil, offen zutage liege. Natürlich täuschte die Kühnheit der Behauptung darüber hinweg, daß sie nicht die ganze Wahrheit barg. Die erstaunliche Vielfalt der jungen deutschen Lyrikszene gab es, daran bestand kein Zweifel – nur offensichtlich war diese Tatsache keineswegs, wenn man von den Enthusiasten und all jenen absieht, die stets bemüht sind, der Lyrik mehr Raum zukommen zu lassen, den Dichtern selbst also, den Herausgebern, den Veranstaltern und einigen Kritikern. Einem breiteren Publikum blieb die Entwicklung verborgen. Lyrik von Jetzt war demnach eben der Beweis, den zu erbringen wir für längst nicht mehr notwendig erklärten.
Heute, fünf Jahre danach, ist die Sicht klarer, läßt sich einiges mit Gewißheit sagen. Fast alle der damals präsentierten Lyrikerinnen und Lyriker, und das waren immerhin vierundsiebzig, sind der dichterischen Szene erhalten geblieben. Ein Großteil hat, was zu dem Zeitpunkt, als Lyrik von Jetzt erschien, keinesfalls abzusehen war, mittlerweile ein eigenes Buch publizieren können; in nicht wenigen Fällen sind es gar mehrere Bücher. Aus erstaunlich vielen der Akteure sind in diesen vergangenen fünf Jahren Autoren geworden, die aus der deutschsprachigen Literaturlandschaft kaum mehr wegzudenken sind. Und was noch wichtiger ist: Nicht nur die Dichterinnen und Dichter, die Werke mit all ihren Eigenheiten und individuellen Prägungen finden Gehör und Publikum, auch die lebhaften Diskussionen über Lyrik, die poetologischen Auseinandersetzungen unter- und miteinander dürfen mit einem Hallraum rechnen, den manch einer vor kurzem nie und nimmer für möglich gehalten hätte. Sagen wir es also ruhig noch einmal: Die Lebendigkeit der deutschsprachigen Lyrik bedarf keines Beweises.
Wenn es trotzdem gerechtfertigt, ja notwendig ist, erneut eine Anthologie auf den Weg zu bringen, dann aus einem einzigen, dafür aber guten Grund: Das Phänomen einer facettenreichen und vitalen jungen Lyrik setzt sich fort. Eine Vielzahl von noch jüngeren Lyrikerinnen und Lyrikern ist in Zeitschriften und öffentlichen Lesungen in Erscheinung getreten, ohne daß ein Leser, der nicht all die verstreuten Publikationen verfolgt und über sehr viel Zeit verfügt, die Möglichkeit hätte, sich ein Bild von dieser disparaten Szene zu machen. Diese Möglichkeit wollen wir bieten und zugleich das Panorama, das sich mit Lyrik von JETZT eröffnete, ergänzen und erweitern.
Das Konzept ist das bewährte: Es sollen Autorinnen und Autoren vorgestellt werden, die durch Veröffentlichung und Vortrag auf der poetischen Bühne präsent sind und deren Arbeiten erahnen lassen, daß auch in der Zukunft von ihnen zu hören sein wird. Als Orientierungshilfe diente das Geburtsjahr 1975 – ohne freilich diese Altersgrenze dogmatisch zu handhaben; eine Reihe von Autoren ist früher geboren, keiner allerdings vor 1970. Abermals wird jeder Dichter mit vier für seine Entwicklung und seine Poetologie repräsentativen Gedichten vorgestellt, wieder soll ein ausführlicher Anhang mit biographischen und bibliographischen Details den interessierten Leser zu weiteren Nachforschungen ermutigen. Und wie zuvor wollten wir uns nicht mit einer so vorhersehbaren Reihenfolge wie der alphabetischen begnügen – und haben statt dessen das Buch nach Anziehung und Abstoßung, Klang und Gegenklang zusammengestellt. Zwei Inhaltsverzeichnisse, von denen eines dem Alphabet, das andere dem tatsächlichen Verlauf folgt, sollen die Orientierung erleichtern. So hoffen wir, daß auch diese Anthologie geworden ist, was schon Lyrik von JETZT für uns wie für andere Leser war: Nämlich beides, Nachschlagewerk und Abenteuer.

Björn Kuhligk und Jan Wagner, Vorwort, Sommer 2008

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